Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Frühjahr geurteilt, dass Bankkunden in Deutschland eine Erhöhung der Kontoführungsgebühren nicht mehr einfach hinnehmen müssen. Stattdessen können sie sich Geld aus früheren Erhöhungen zurückholen. Aber nur die Wenigsten tun das offenbar – und die Banken tun das Ihrige dafür.
Einem BGH-Urteil zufolge müssen Bankkunden eventuelle Gebührenänderungen nicht mehr stillschweigend akzeptieren, wie es bisher gängige Praxis war. Jetzt haben viele Millionen Kunden in Deutschland die Möglichkeit, auch rückwirkend Gebühren zurückzufordern. Bisher macht allerdings nur ein kleiner Prozentsatz der betroffenen Bankkunden von dieser Option Gebrauch. Banken drohen mit Kündigungen.
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BGH-Urteil: Was kommt jetzt?
Der Hintergrund der aktuellen Welle von Briefen, die Banken versenden, ist ein Urteil des BGH vom April 2021. Im Kern geht es darum, dass es die bis dato übliche Praxis der meisten Banken war, dass Kunden einer Gebührenänderung dadurch zustimmten, dass sie nicht widersprachen.
Diese stillschweigende Zustimmung hat der BGH für nicht rechtens erklärt. Stattdessen seien die Kreditinstitute dazu verpflichtet, ein aktives Einverständnis von den jeweiligen Kontoinhabern bei Gebührenänderungen einzuholen.
Kontoführungsgebühren: Bankkunden können ihr Geld zurückfordern
Es gibt im Wesentlichen zwei Folgen des BGH-Urteils. Zum einen sind die Kreditinstitute zukünftig verpflichtet, von ihren Kunden eine Zustimmung der Gebührenänderung einzufordern. Zum anderen haben betroffene Bankkunden das Recht, aufgrund des Urteils gezahlte Gebühren zurückzufordern, falls eine solch aktive Zustimmung nicht erfolgt ist.
Experten schätzen, dass davon die überwiegende Mehrheit aller Bankkunden in Deutschland betroffen sein dürfte. Dabei kann es durchaus um bis zu 100 Euro und mehr gehen.
Banken drohen mit Kündigung
Die aktuelle Vorgehensweise Banken sieht nun so aus, dass zunächst zahlreiche Geldhäuser Millionen von Briefen versendet haben. Darin fordern sie ihre Kunden auf, den aktuellen Konditionen und somit auch den Gebührenbedingungen des Kontos zuzustimmen. Sollte der Bankkunde sich allerdings weigern, gehen anscheinend immer mehr Kreditinstitute dazu über, mit der Kündigung des Kontos zu drohen.
Diese Methode ist zwar aus Sicht der Verbraucherschützer nicht kundenfreundlich, allerdings haben Kontoinhaber wenig Möglichkeit, sich im Fall des Falles gegen eine Kündigung zu wehren. Grundsätzlich ist es Kreditinstituten nämlich erlaubt, gerade Zahlungsverkehrskonten ohne die Angabe von Gründen faktisch zu jedem gewünschten Zeitpunkt kündigen zu dürfen.
Ob dies nun aufgrund einer nicht gegebenen Zustimmung des Kunden oder aus einem anderen Grund erfolgt, ist in dem Zusammenhang völlig unerheblich.
Einige Banken zahlen Geld zurück, andere wehren sich
Die Reaktion der Banken auf die Rückforderungsansprüche der Kunden ist sehr gemischt. Manche Kreditinstitute nehmen die geforderte Rückzahlung der Gebühren vor, während andere sich wehren und zum Teil versuchen, Kunden hinzuhalten. Eine dritte Reaktion besteht darin, dass die Rückzahlung zwar erfolgt, der Kunde allerdings ein neues Preismodell für sein Konto nutzen muss.
Dies beinhaltet in der Regel im Vergleich zum bisherigen Modell eine Erhöhung der Kontoführungsgebühren. Alternativ besteht das bisherige Modell nur dann weiter, wenn der Kunde auf die Rückforderung der ihm zustehenden Gebühren aufgrund des BGH-Urteils verzichtet.
Ob ein derartiges Vorgehen seitens der Banken allerdings rechtmäßig ist, dürfte noch zu klären sein. Immerhin handelt es sich um eine Art Strafe für Kunden, nur weil diese auf ihrem Recht bestehen.
Warum nur wenige Bankkunden Rückforderungsansprüche nutzen
Nach dem BGH-Urteil hat bisher nur ein sehr kleiner Prozentsatz der betroffenen Bankkunden von ihren Rückforderungsansprüchen Gebrauch gemacht. Bei der Kreissparkasse Köln zum Beispiel haben bisher umgerechnet nur etwa 0,5 Prozent der betroffenen Kunden ihre Gebühren zurückgefordert.
Ein Grund könnte darin bestehen, dass die durchschnittlichen Erstattungen sich dort im Bereich zwischen meistens lediglich 10 bis 30 Euro bewegen. Die Kreissparkasse zum Beispiel begründet die geringe Anzahl von Rückforderungen seitens der Kunden damit, dass zwar keine aktive Zustimmung vorgelegen habe, die Bankkunden allerdings in der überwiegenden Mehrheit trotzdem mit den neuen Gebühren einverstanden gewesen wären.
Musterbriefe bei den Verbraucherzentralen
Auf der einen Seite haben bisher nur wenige Bankkunden von ihrem Recht Gebrauch gemacht, Gebühren zurückzufordern. Hinzu kommt die drohende Kündigung einiger Kreditinstitute, die sicherlich eine Reihe von Bankkunden davon abhält, in einem Schreiben die Gebühren zurückzufordern. Trotzdem lautet der Rat der Verbraucherschützer und auch der Stiftung Warentest auf der anderen Seite eindeutig, dass Kunden ihr Recht wahrnehmen und die zu Unrecht veranschlagten Gebühren zurückfordern sollen.
Allerdings ist auch klar, dass es oftmals nur um niedrige bis mittlere zweistellige Beträge geht. Selbst in einigen, durch einen Rechtsanwalt vertretenen Fällen, belief sich die Rückerstattung „nur“ auf durchschnittlich knapp über 100 Euro.
Bankkunden überlegen sich daher durchaus, ob ihnen ein eventueller Rechtsstreit oder die Kündigung des Kontos diesen Aufwand für vielleicht lediglich 50 bis 100 Euro wert ist.
Kontoführungsgebühren: Ist Bankwechsel eine Alternative?
Abgesehen von der möglichen Rückforderung von Gebühren gibt es für Kunden grundsätzlich noch Alternativen, wenn nach deren Auffassung zum Beispiel für das Girokonto zu hohe Gebühren verlangt werden. Immerhin existieren nach einer aktuellen Studie der Stiftung Warentest in Deutschland noch mehr als zehn Banken, die ein kostenfreies Girokonto zur Verfügung stellen.
Vergleichsrechner Girokonto
Allerdings ist darauf zu achten, ob die Gebührenfreiheit mit Bedingungen verknüpft ist, was in der Regel der Fall ist. Dazu gehören zum Beispiel ein monatlicher Mindestgeld- oder Mindestgehaltseingang auf dem Girokonto.
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